Der Text zu Hamburg ist doch länger geworden als ich gedacht hatte. Eigentlich wollte ich von der letzten Station in einem einzelnen Beitrag erzählen. Aber vielleicht ist es angenehmer zu lesen, wenn ich es auf mehrere Beiträge aufteile. Die kommen dafür zügig hintereinander.
Los geht's.
Ich sag’s besser gleich vorweg, ich habe immer behauptet, dass Hamburg die vermutlich meistüberschätzte Stadt Deutschlands ist. Das kommt noch von meiner Ausbildung, wo der Blockunterricht in Hamburg stattgefunden hat, weil dort damals noch die einzige, für ganz Deutschland zuständige, Berufsschule war. Und ich fand es grauslich. Nicht wegen der Ausbildung oder der Schule. Ich fand die Stadt selbst einfach nicht wirklich besonders und schon gar nicht konnte ich mir vorstellen dort zu leben. Das lag vielleicht auch daran, dass das Wohnheim für die Berufsschüler im Hamburger Ortsteil Farmsen war (wie auch die Schule). Und wer dort schon mal war wird wissen, hier möchte man nicht tot überm Zaun hängen. Jetzt wollte aber meine Frau nach HH, auch um mir zu zeigen, dass die Stadt mehr zu bieten hat, als ich immer behaupte.
Hinzu kommt noch, dass ich großer Fan des Podcast „Fiete Gastro“ bin, dem „auch kulinarischen Podcast“ mit Tim Mälzer. Die Moderation übernimmt Sebastian Merget, der einen Gast einlädt, oft aus Gastronomie oder Hotellerie oder aus dem Showbiz. Mälzer erfährt erst während der Aufzeichnung wer kommt. Und weil in diesem Podcast dann doch viel über Restaurants und Köche aus Hamburg gesprochen wird, habe ich zu meiner Frau gesagt: „ich komme mit nach Hamburg, aber ich will da, dort und bei dem zum Essen“. Gut, aus zwei Restaurants wurde schon mal nichts. Nachdem wir grob überschlagen haben, was ein Abend im Haerlin kosten würde, war uns das dann doch nicht ganz so wichtig. Und The Table von Kevin Fehling war sechs Monate im Voraus ausgebucht (und vermutlich auch zu teuer). Aber der Reihe nach.
Das Hotel war dank des Podcast schnell ausgewählt. In einer Folge war Christoph Hoffmann, der Gründer der 25hours Hotels zu Gast. Und das von ihm beschriebene Konzept der Hotelkette fand ich so spannend, dass wir uns für das
25h HafenCity entschieden haben. Und mitten in der Hafencity zu wohnen ist für Touris ja auch nicht das Schlechteste.
Das besondere an den 25hours Hotels ist, dass jedes ein anderes, an den jeweiligen Ort angepasstes Konzept hat, während andere Ketten ja gerne mal Wert darauflegen, dass jedes Haus dem anderen gleicht oder zumindest so ähnlich ist, dass man als (regelmäßiger) Gast erkennt, unter welcher Marke man gerade wohnt.
Und so spielt das HafenCity mit den Themen Überseehafen, Schiff, Koje und manch anderem Maritimen. Die Theke der Rezeption erinnert an Transportkisten, in der Lobby dient ein Hapag Lloyd Überseecontainer als Aufenthaltsraum, im obersten Stock ist die Sauna in einem solchen untergebracht. Der Aufzug ist innen mit einem Bretterverschlag verkleidet und lässt an einen Transportaufzug denken. Die Zimmer heißen Kojen, ein aufgeklappter Überseekoffer ist Sekretär und Minibar in einem, die Tapete zeigt Motive zu den Themen Reise, Hafen, Seefahrt, Namen ferner Städte und Länder. Auf der Toilette sitzt man einer nur spärlich gekleideten Dame gegenüber. Gezeichnet im Stil eines Seemann Tätowierung. (Und bevor der Aufschrei kommt, in anderen Zimmern ist ein Mann auf die Wand gemalt.
Und in jedem Hotel der 25hours Kette gibt es im Bett ein anderes Kuscheltier. In Hamburg ist es das
Schlafschaf. Spätestens mit diesem putzigen Detail habe ich meine Frau vom Hotel überzeugt.
In Hamburg werden meine Aufnahmen wieder strenger, grafischer, manchmal auch minimalistisch.
Klar, ist eine Großstadt. Da liegt der Schwerpunkt nicht unbedingt auf Landschaft. Fotografisch ist das aber eher meine Wohlfühlzone. Ich mag klare Linien und Strukturen. Hier kann ich stundenlang spielen und experimentieren. Teilweise muss mich meine Frau von einer Stelle wegziehen, wenn ich mich mal wieder festgefressen habe. Diese Geduld und Ausdauer fehlen mir oft bei Landschaftsaufnahmen. Da war der Langzeitversuch auf der Buhne schon eine große Ausnahme. Außerhalb der Urlaubszeit findet man mich eher selten in der Landschaft stehend. Dann schon eher in Industriegebieten. Womit wir am Hamburger Hafen wären.
Ja, ich weiß, ich bin die absolute Ausnahme. Die allermeisten verbinden eine romantische Schönheit mit dem Hamburger Hafen. Ich sehe hier einfach nur ein Industriegebiet, fern von jeder Romantik.
Da ich wie oben geschrieben aber auf klare Linien und Strukturen stehe, bieten sich mir hier zahlreiche Motive. Ich würde mich aber z. B. nicht in den Hafen bei Stuttgart-Obertürkheim stellen und freudig rufen, ach wie schön ist der Hafen. Obwohl sich die Motive in Hamburg und Stuttgart oft gleichen. Der Hauptunterschied zwischen Hafen-S und Hafen-HH ist für mich, dass es in Stuttgart keine Souvenir- und Fressbuden gibt. (Ja, jetzt dürft ihr auf mich einkloppen.)
Stuttgart
Hamburg
Und natürlich machen wir eine Hafenrundfahrt. Steht schließlich bei jedem Touri im Lastenheft. Unser „Erklärbär“ hat allerhand spannendes zu erzählen und macht das sehr unterhaltsam. Wir wissen jetzt wo Ina Müller „Inas Nacht“ aufzeichnet, dass so ein Containerschiff einen großen toten Winkel hat, in dem man sich besser nicht aufhalten sollte und dass die viertlängste Yacht der Welt auf den Namen Eclipse hört, 162,5 Meter lang ist, einen eigenen
Wikipedia Eintrag hat und sein Herrchen Abramowitsch heißt. Das Bötchen liegt aber gerade bei Blohm + Voss auf dem Trockenen.
Motive (immer noch ziemlich unromantische) finde ich reichlich. Doch oft fahren wir leider etwas schnell daran vorbei und man muss ziemlich fix sein.
Im toten Winkel
Ebenfalls touristische Pflicht und im großen Umkreis um den Hafen nicht zu übersehen, ist die Elbphilharmonie. Anfangs mache ich meine Bilder noch etwas widerstrebend, weil die Elphi dann doch längst totfotografiert und tausendfach auf sämtlichen Plattformen zu sehen ist. Warum soll ich das jetzt auch noch machen. Aber da war dann schon wieder das mit den klaren Linien und Strukturen und ich halte mich plötzlich für den innovativsten Elphi-Fotografen, der die letzte noch nicht gesehene Perspektive findet. Im Angesicht des „Herausforderers Fotomotiv“ neigt man schon mal zur Selbstüberschätzung. Trotzdem, ein paar nette Bilder (alle so ähnlich schon gesehen) sind dann doch dabei herausgekommen.
Wir kommen sogar ziemlich einfach auf die Aussichtsplattform. Es gibt zwar mal wieder eine Zugangsbeschränkung, es sind aber gerade wenig Personen unterwegs und wir können sofort rein. Das Besucherleitsystem vor dem Kartenschalter lässt aber vermuten, dass das nicht der Standard ist.
Beim Blick von oben fällt mir auf, dass die Luft sehr klar ist und man ziemlich weit ungetrübt schauen kann. Das bin ich sonst so nicht gewohnt. Auch vom knapp 100 Meter höherem Michel (Touri Lastenheft) ist das Bild ähnlich ungetrübt. Ob das jetzt daran liegt, dass der Wind vom nicht so weit entfernten Meer den Dreck aus der Stadt weht oder daran, dass dank Pandemie viel weniger Verkehr ist, kann ich nicht sagen. Ich fand es aber auffällig.
Fast wären wir ja nicht auf den Turm der St. Michaelis Kirche, weil Treppensteigen nicht zu unseren Lieblingsbeschäftigungen zählt. Doch als wir aus der (erstaunlich sehenswerten) Kirche herauskommen entdecke ich ein großes Plakat „schon seit 1909 mit Aufzug“. Na das ist doch mal eine gute Nachricht. Wegen Corona dürfen aber nur maximal vier statt 13 Personen gleichzeitig in den Fahrstuhl. Und wenn die aus zwei Familien sind müssen auch beide zustimmen, dass sie gemeinsam fahren möchten. Und so dauert es dann doch rund 15 Minuten, bis wir oben sind.
(Bild vom Michel innen folgt. Ich habe das Limit von 20 Bildern pro Beitrag erreicht.)