Hat jetzt doch ein paar Minuten länger gedauert als „ich versuch morgen“ … Na ja, das Bild ist ja nicht weggelaufen.
Ich stoße mich noch immer ein wenig an der Verteufelung der Baustrahler. Ich finde sie absolut für die Studiofotografie geeignet, meist verwende ich die mit einem Diffusor davor. Ganz nach dem abgewandelten Fotografenmotto: Das beste Licht ist das, welches man da hat.
Eva, du kennst meine Making Ofs. In einem Bild siehst du den Diffusor 15-20 cm von der Lampe entfernt. Das wird warm aber nicht gefährlich heiß. Wenn du aktuell nur Halogen hast, kannst du den Baustrahler verwenden. Wenn du dir etwas Neues zusammenstellst, nimm lieber LED, ist einfach praktikabler. Aber auch hier bitte auf die Farbtemperatur achten und nicht warmweiß, kaltweiß oder andere Farben mischen. Es sei denn, du setzt es bewusst als Effekt ein.
Aber jetzt mal zum eigentlichen Thema. Denn über das Bild würde noch nichts geschrieben.
Kurz zum Aufbau. Ich erkenne, du wirst deutlich strukturierter und „standfester“. Trotz Improvisation sieht das stabil und rekonstruierbar aus. Das gefällt mir schon mal gut.
Im Bild hast du das erreicht, was mir bei den beiden Vorgängern gefehlt hat. Die Blüten leuchten und zeigen wie zart und fragil sie sind. Ich erkenne einzelne Blütenblätter. Farbstiche von unterschiedlichen Farbtemperaturen sind auch nicht zu erkennen. Also auch in dem Punkt alles gut. Lediglich die Gesamtanmutung scheint mir ein wenig zu düster. Das könnte vielleicht auch am harten Kontrast von Blüten und HG liegen. Vielleicht magst du ja bei deinen nächsten Versuchen mal mit farbigem oder zumindest hellerem HG spielen. Heller HG ist einfach, du richtest gezielt eine Lampe darauf. Farbig ist klar, du verwendest z. B. bunte Kartons, du könntest aber auch Farbfolien vor die Lampe machen und den schwarzen HG beleuchten. Heißt aber, du benötigst eine weitere (nicht zu schwache) Lampe. Und ob du die hast weiß ich nicht.
Eine Kleinigkeit habe ich nicht verstanden. Welches Licht wolltest du mit der Alufolie vom HG abhalten? Die Lampe steht doch hinter dem HG. Das kann doch den HG nicht stören, oder? Und nochmal meine Empfehlung. Besorge dir für solche Dinge Black Wrap. Ist erstens stabiler als Alufolie und lässt sich dadurch besser formen und es erzeugt keine ungewollten Reflexe.
Die Blüte vorne rechts finde ich zu dunkel, sie bekommt auch nur wenig vom Hauptlicht ab. Evtl. kann man da in der Bearbeitung noch etwas dran drehen. An dieser Blüte zeigt sich, dass das Motiv ein wenig komplex ist. Es sind sehr viele Elemente, die sich gegenseitig beeinflussen und abschatten. Daher auch von mir, wie schon angesprochen, beim nächsten Versuch vielleicht ein weniger komplexes Objekt auswählen ?
Du siehst die Lichtkanten an den grünen Stängeln oben in der Mitte? Das kommt von deinem Gegenlicht. Mit diesem Effekt schaffst du es, Objekte klar zu umreißen und vom HG freizustellen. Schau dir nochmal meine Bilder an. Bei den Meisten habe ich das in irgendeiner Form eingesetzt. Natürlich lässt sich das auch bewusst umkehren. Ist es dein Ziel ein Objekt mit dem HG verschmelzen zu lassen, vermeide Gegenlicht.
Sicher kann man an manchen Stellen noch ein wenig aus dem Motiv herauskitzeln, wenn man das möchte. Eine solche Stelle sind die Pollenstempel (wenn das so heißt) an der Blüte links vorn. Hier kann man versuchen eventuell mit einem Schminkspiegel eine der vorhandenen Lampen punktuell dort hin zu zirkeln und diese ein wenig leuchten lassen. Aber das geht für deine frühen Versuche vielleicht schon ein wenig zu weit. Vielleicht für den Hinterkopf einfach mal abspeichern, bei künftigen Bildern zu prüfen, ob da noch Details im Objekt versteckt sind, die du etwas präsenter sehen möchtest und dann versuchen, ob du sie herausarbeiten kannst.
Insgesamt finde ich das letzte Bild schon recht gut. Was du vielleicht aus den verschiedenen Versionen mitnehmen kannst, schaue dir die Materialeigenschaften des Objekts an. Ist es massiv oder durchscheinend? Glatt oder strukturiert. Bei durchscheinend bietet sich immer an, Gegenlicht zu testen. Hat es eine Struktur, versuche es mit Streiflicht. Weitere Lampen und Aufheller müssen sich dann dem Hauptlicht unterordnen, so dass sie den Durchlichtcharakter, bzw. die Struktur nicht komplett zerstören. Was dir immer eine Hilfe sein wird ist, wenn du wenigstens teilweise deinen Mann als Lichtassi einspannen kannst. Du bleibst an der Kamera, entweder mit Blick durch den Sucher/aufs Display oder mit den Augen so dicht wie möglich an der optischen Achse (also knapp über der Kamera). Deinen Mann dirigierst du mit der Lampe mal nach links, nach rechts, oben, unten, Lampe vom Objekt weg oder hindrehen, usw. Dann siehst du sofort die unterschiedliche Wirkung und musst nicht immer zur Lampe laufen, verändern, an der Kamera prüfen, unsicher sein, ob es vorher jetzt besser oder schlechter war, … .Neben dem Lerneffekt spart es auch ungemein Zeit. Die Feinarbeiten kannst du dann wieder alleine machen, wenn der Gatte bereits stöhnt. Wenn du alleine die Wirkung einzelner Lampen prüfen möchtest, kannst du die natürlich immer an- und ausschalten. Das tut aber der Lampe vielleicht nicht immer gut. Was da auch ganz gut funktioniert, du nimmst eine stabile Pappe (nicht zu hell, Versandkarton tut’s auch), hältst sie in den Lichtstrahl und ziehst sie schnell weg (und wieder zurück und wieder weg …). Dabei beobachtest du – im Idealfall aus der optischen Achse – wie sich das Objekt verändert. Sitzt die Lampe an der richtigen Stelle, ist sie zu hell, zu dunkel, entsteht eine unschöne oder gewollte Spiegelung oder Reflexe … .
Damit will ich dich jetzt mal entlassen. Sicher schwirrt dir schon der Kopf von den vielen Hinweisen, die du hier im Thema sammeln konntest. Und hoffentlich juckt es dir jetzt in den Fingern, Teile davon auszuprobieren.
Jochen