
Kennt ihr das auch?
Ich habe das Gefühl, auf meiner fotografischen Reise gerade mal ein Drittel des Weges hinter mir zu haben. Und das, obwohl ich dieses Jahr ordentlich Fahrt aufgenommen habe – auch abseits meiner gewohnten Gewässer in der Landschaftsfotografie.
Früher hieß es oft einfach: „Och, heute scheint die Sonne – ich fahr mal eben mit der Kamera an die Nordsee.“
Heute ist das eher: „Wo versteckt sich die Sonne gerade? Mal die App zurate ziehen, wann ist eigentlich Hochwasser? Und was für ein Motiv schwebt mir diesmal vor?“
Ich gebe mir konkrete Aufgaben, plane Projekte, lege Routen fest. Und statt mich nur von YouTube-Tutorials berieseln zu lassen, ziehe ich jetzt auch mal los in die Stadtbibliothek und leihe mir echte Fotoliteratur aus – aus Papier, mit Eselsohren und ganz ohne Abo-Modell!

Mit VHS-Kursen ist das so eine Sache: Manchmal etwas zäh, wie ein alter Seemannskeks – aber ich habe bisher immer etwas mitgenommen. Im Herbst steht ein Kurs auf Wangerooge an (allein das klingt doch schon nach Abenteuer und Salz in der Luft!). Und wenn ich Wangerooge höre, fällt mir direkt der Fotograf Ingo Gebhardt ein. Der ist auf der Insel aufgewachsen und hat einige tolle Bücher veröffentlicht – stimmungsvolle Schwarz-Weiß-Porträts norddeutscher Charakterköpfe und beeindruckende maritime Landschaften.
Besonders fasziniert haben mich seine Nordseebilder, die er mit einer analogen Linhof-Kamera gemacht hat – teilweise mit Belichtungszeiten von 30 bis 60 Minuten! Ich habe zwar auch noch eine betagte Revue ML mit M42-Schraubgewinde im Schrank stehen, aber ich dachte mir: Warum nicht mal digital in die Richtung experimentieren?
Also habe ich meine Rollei-ND-Filter übereinandergeschraubt – ND8, ND64 und ND1000 – und mit einer App berechnet, dass ich ungefähr zehn Minuten belichten müsste. Gesagt, getan! Und hier ist es: das Ergebnis meiner allerersten digitalen Langzeitbelichtung.
Das Ganze hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich mir jetzt das Nisi V7-Filtersystem gegönnt habe. Wenn man sich mit Objektivfiltern beschäftigt, wird man ja förmlich erschlagen von Möglichkeiten – aber dieses rechteckige Plattensystem hat was. Es erinnert ein bisschen an die gute alte Zeit der Glasplattenfotografie. Irgendwie archaisch. Irgendwie cool.
Was derzeit auch richtig Spaß macht: Ich bin bei meinen Fotostreifzügen nicht mehr allein unterwegs. Beim alten Fähranleger in Eckwarderhörne hatte ich zum Beispiel einen Kollegen dabei. Ich hab ihm meine kleine Sony in die Hand gedrückt und ihm erklärt, was er im Aperture-Modus beachten muss – inklusive Tipps, wie man Sonnensterne einfängt. Und siehe da: Auch er hatte plötzlich den fotografischen Seegang in den Beinen!

