Zu Besuch beim Volk der Himba

Tenno

Well-known member
Namibia ist etwa doppelt so groß wie Deutschland und hat ca. 2,3 Mio Einwohner (Stand 2016). Nach der Mongolei ist es mit 2,8 Einwohnern pro km² das am wenigsten dicht besiedelte Land weltweit. In Namibia leben viele Volksgruppen. Als ethnische Minderheit haben die Himba (eigentlich Mehrzahl Ovahimba) einen Anteil von unter 1 % (weniger als 23.000 Menschen), wovon die Mehrheit im Nordwesten – dem sogenannten Kaokoland (auch Kaokoveld, etwa so groß wie Niedersachsen) – lebt und einige im angrenzenden Süden von Angola. Die Landschaft dort ist meist karg, steinig und trocken. Eine Ausnahme bildet im Nordwesten das Gebiet um den Grenzfluss Kunene (aus dem Hochland Angola kommend) mit den fotogenen Epupafalls (hier mit Blick nach Norden/Angola).

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Ebenfalls sehr beeindruckend sind im Norden von Namibia die zahlreichen afrikanischen Affenbrotbäume (Baobab), welche in der Trockenzeit ihr Laub abwerfen. Ich zeige einen besonders prächtigen Baobab. Um die Größe des Baums zu verdeutlichen, habe ich meine Frau ins Bild gebeten.

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x3.jpgDie einzige Stadt im Kaokoland ist Opuwo (früher auch Ohopoho) mit ca. 8000 Einwohnern. Nur dort gibt es ein Krankenhaus, wenige Einkaufsläden, Tankstellen und eine Teerstraße, die Richtung Osten führt. Einfache Hütten und Wohnhäuser prägen das Stadtbild.

Der Ort stellt ein Schmelztiegel aller Kulturen Namibias dar. Die traditionell in kleinen Hütten lebenden Himba kommen aus vielen Kilometern Entfernung in den Ort um einzukaufen. Sie sind ethnisch den Herero gleich. Sie haben dieselben Vorfahren, welche im 15/16. Jahrhundert aus Zentralafrika zunächst nach Betschuanaland (heute Botswana) und danach hierher eingewandert sind.

Wir besuchten die weitgehend traditionell lebenden Himba während unserer Namibia- Selbstfahrerrundreisen mehrere Male und immer nach demselben Procedere:

In Begleitung eines Himba-Mannes, der englisch sprach und im „westlichen Stil“ lebte, fuhren wir zunächst einkaufen und besorgten Grundnahrungsmittel wie Pflanzenöl, ein Sack Maismehl sowie diverse Gewürze. Danach fuhren meine Frau und ich - immer alleine mit dem Guide – zu abgelegenen Himba-Siedlungen. Abseits jeglicher großen Schotterpisten übergab der Führer dann die Gastgeschenke und klärte unseren Besuch ab.

Danach durften wir den Kraal betreten; ein kleines Dorf umgeben von einem runden Zaun aus dicken Ästen und dornigem Gestrüpp. Darin mehrere einfache, kleine Hütten und ein Gehege, in dem Ziegen oder Schafe und/oder Milchkühe mit ihren Kälbern gehalten werden.

Es waren zumeist Frauen und Kinder anwesend, weil die Männer unterwegs waren und (den Rest) ihre Rinderherde – abseits ihrer Siedlung – bewachten. Himba gelten als Halbnomaden. Solange es das Land hergibt, bleiben sie mit ihren Herden an einer Stelle. Von Zeit zu Zeit ziehen sie aber auch weiter.

Das nächste Foto zeigt zwei Himba-Männer, die ihre Rinderherde auf der Hauptstraße Richtung Norden begleiten. Sie sind – im Gegensatz zu den Mädchen/Frauen - in der Regel „westlich“ gekleidet. Im Hintergrund links ist ein Baobap zu sehen.

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Die Frauen tragen die Hauptlast der täglichen Arbeit. Sie sind verantwortlich für den Bau und die Reparatur des Kraals, in dem die Himba leben, für Kochen (inkl. Feuer machen), Kindererziehung, Kühe melken und „Gartenarbeit“ (die Himba betreiben auch Gemüseanbau). Unterm Strich: Den Männern geht`s recht gut!

Aus „westlicher“ Sicht leben die Himba in einfachen/ärmlichen Verhältnissen. Sie selber sehen das anders. Sie bezeichnen sich als wohlhabend, wenn sie viele Rinder und Schafe/Ziegen haben.

Auf dem nächsten Bild ein Ausschnitt des Kraals, welchen wir 2016 relativ früh morgens besuchten und aus dem die meisten Fotos vom Dorfleben stammen. Unser Eindruck war, dieser Familienclan ist „reich“.

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Bevor uns die Kultur der Himba erklärt wurde, durften wir am Dorfleben teilhaben. Anbei einige Fotos davon:

Zunächst eine Mutter mit zwei Mädchen morgens beim Kochen. Es gibt ein Kürbisgericht in einem gusseisernen, dreibeinigen Topf, der über einem Feuer steht. Da es Ende Mai (Südhalbkugel unser November) morgens recht kalt ist, werden Tücher/Decken getragen und das Feuer wärmt auch noch zusätzlich. Ab ca. 10:00 Uhr wird es dann aber bei meist blauem Himmel gut warm.

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Es ist Zeit Kühe zu melken. Die Hinterbeine werden mit einem Lederband oder Strick zusammengebunden und das Kälbchen für kurze Zeit mit einem Stock auf Abstand gehalten. Die Himba teilen die Milch mit den Kälbern. Bei unseren Molkereibetrieben werden Kälber oft kurz nach der Geburt von den Kühen getrennt.

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Nicht immer klappt es mit dem Fernhalten der Kälber beim Melken :)

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x9.jpgKuhdung wird gesammelt und zusammen mit Lehm/Sand als Baumaterial verwendet.

Auf dem nächsten Foto eine weitere Szene aus dem Dorfleben der Himba. Ein Junge klettert auf das Vordach einer Hütte und holt ein paar getrocknete Maiskolben, die dort ausgelegt sind. Die Großmutter stellt Butter her, indem sie Milch in einer aufgehängten Kalebasse sehr lange schüttelt. Die beiden Frauen sind verheiratet, denn sie tragen als Kopfschmuck eine Art „Krone“ aus Ziegenfell.

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Spielende Kinder jagen sich gegenseitig. Jungens haben meist einen kahlen Kopf. Später dann tragen sie eine Art Irokesen-Frisur mit zusätzlich nach hinten geflochtenem und nach oben gebogenem Zopf.

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x12.jpgMädchen tragen ihr Haar in zwei zur Stirn gerichteten Zöpfen. Uns erklärte man, dass damit die Hörner der Kühe dargestellt werden.

Kurz erwähnen möchte ich noch, dass es nicht immer einfach für die Himba ist, den Spagat zwischen Moderne und Tradition zu vollziehen. So herrscht zum Beispiel auch in Namibia die Schulpflicht (bis zur 7. Klasse). Die Wege zur Schule sind für die traditionell im Busch lebenden Himba sehr lang. Außerdem werden ältere Kinder für die tägliche Arbeit benötigt. Zum Teil gibt es inzwischen in Namibia einige wenige mobile Zeltschulen. Das hilft den Naturvölkern, aber nicht allen. Uns hatte man erklärt, dass manchmal – quasi als Kompromiss - ein Kind pro Familie (meist Mädchen) nahe der Schule – zumindest zeitweise - bei weniger traditionell lebenden Verwandten unterkommt.

Alte Reifen dienen in Namibia oft als Spielzeug und werden – von einem Stock angetrieben – durch die Straßen gerollt. Himba benutzen das Profil auch zur Herstellung von Sandalensohlen.

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Wenn Himba-Mädchen zum ersten Mal ihre Periode bekommen, beginnt für sie ein neuer Lebensabschnitt. Sie färben ihre Haut mit einer fettigen Creme (meist Rindertalg) in Kombination mit rötlichem Pulver, gewonnen aus gemahlenen oxidhaltigen Steinen. Gleiches Verfahren wird zur „Aufbereitung“ der Haarzöpfe angewandt. Des Weiteren waschen sich Frauen ab dann nicht mehr mit Wasser. Stattdessen räuchern sie regelmäßig ihren Körper (siehe auch weitere Fotos unten). Die rote Talgschicht schützt nicht nur vor dem heißen und trockenen Klima des Kaokolands, sondern auch vor Stechmücken.

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Die wuscheligen Haarenden der Frauen sind Extensions, bestehend meist aus Tierhaaren.

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Ebenfalls ist es Tradition, dass den Himba (Frauen und Männer) die unteren vier Schneidezähne mit einem Stein und einem Stück Holz ausgeschlagen werden (Schönheitsideal).

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Auch der Reifenschmuck um Hals, Arme und Beine – welcher zusammen mehrere Kilogramm wiegen kann – hat eine Bedeutung. Insbesondere, ob und wie viele Kinder eine Frau hat, lässt sich davon ableiten.

x17.jpgHier wird uns die "Komfortausstattung" eines Kindertrage- Rucksacks aus Ziegenleder gezeigt. Natürlich geht das auch mit einem Tuch.

Zum Abschluss unseres mehrstündigen Besuchs durften wir noch einige Hütten der Himbafamilien betreten.

x18.jpgHier wurde uns gezeigt, wie die Himbafrauen die typisch rote Farbe herstellen, sich dann eincremen und mit Rauch reinigen (im Vordergrund der rote Mahlstein).


In einer anderen Hütte wird von dem Mädchen (links im Bild) eine kleine Decke übergeworfen, um den Rauch besser „einzufangen“.

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Abschließen möchte ich meinen Bericht mit einem meiner Lieblingsfotos aus dem Himbadorf. Das Portrait einer jungen Himbafrau entstand in einer relativ kleinen Hütte bei wenig Licht, welches durch die schmale Türe einfiel.

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Sehr beeindruckt und mit dem Gefühl viel gelernt zu haben, verließen wir kurz danach das Himbadorf.

Ich hoffe mit meiner Bildergeschichte einen kleinen Eindruck vom Leben der Himba vermittelt zu haben.

Liebe Grüße von Tenno
 
Diese Expedition in die Welt der Himbas hat mich sehr beeindruckt. Sollte uns zu denken geben... Es ist großartig erzählt und fotografiert, mit einem Wort exzellent gemacht! Ich bin sehr erfreut und fühle mich bereichert, und danke für diese einzigartige Dokumentation. Danke, dass Du uns daran teilnehmen gelassen hast, dass wir Euch begleiten dürften auf eine ungewöhnliche Abenteuerreise. Einfach SUPER! :)(y)🥰
 
Ein einfühlsamer und authentischer Reisebericht von einem anderen Kulturkreis, als sei man dabei gewesen. Ergänzt mit beeindruckenden Fotos.
Danke Tenno fürs Mitnehmen.
 
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Wow, Tenno. Was für ein großartiger Reisebericht und fantastischen Fotos. Heute würde ich mir so eine Strapaze nicht mehr auferlegen, obwohl es mich reizt es auch kennen zu lernen. Bin sehr beeindruckt!!!
 
Einen wunderbaren Einblick in eine für uns fremde Welt hast du uns gewährt. Deine Bilder sind alles erstklassig und bringen uns die Mensche dort näher. Dein Bericht zeigt auch, dass Reichtum relativ ist und viel wichtiger die Zufriedenheit ist mit dem was man hat.
Danke für deinen Bericht!
 
Danke Tenno für diesen sehr informativen und schön geschriebenen Reisebericht und die tollen Fotos dazu.
 
Eine sehr aufwändige ‚Reportage’ - genauso wie ein Reisebericht, der andere neugierig machen möchte, sein sollte. Danke für die Facetten-Vielfalt aus dem Stammesleben, von dem ich leider vieles vergessen habe. Zum einen, da diese Reise schon so lange zurückliegt und zum anderen wegen der mäßigen Analogfotos 😩 Eine Präsentation, die du auch fotografisch druckreif zusammengestellt hast. Respekt.
 
Hallo Tenno,
sehr gut beschrieben. (y)
Ich möchte noch etwas ergänzen, wenn es dir nichts ausmacht.
Traditionell gekleidete Himbafrauen sieht man auch auf Märkten in Windhoek und Swakop.
Unverheiratete Frauen und Mädchen tragen die beiden nach vorne gerichteten Zöpfe.
 
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5*! schließe mich meinen Vorschreiben uneingeschränkt ein, herrlicher Bericht. Danke! :cool:
 
Dein Bericht über diese für uns so fremde Welt ist sehr beeindruckend...und fantastisch mit deinen Bildern belegt!
LG Gaby
 
Ich möchte mich sehr herzlich für das reichlich positive Feedback bedanken. Ich freue mich sehr darüber und hätte nicht erwartet, binnen kurzer Zeit so viele schöne Rückmeldungen zu bekommen.
 

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